Rede anlässlich der 75-Jahr Feier am 25. September 2010

von unserem Ehrenvorsitzenden Karl Dietrich.

 

Liebe Gartenfreunde, Liebe Siedler und Gäste

 

Am nächsten Dienstag jährt es sich zum 75. Mal, das hier Hebauf gefeiert wurde. Somit feiern wir heute den 75. Geburtstag unserer Siedlung.

Ich wurde gebeten einen kleinen Vortrag hier zu halten über die Entstehung und die erste Zeit unserer Siedlung.

Unterlagen hierzu stammen aus

* Ratsprotokollen der Stadt,

* der Donauwörther Nationalzeitung vom 30.09.1935,

* der Schrift "Spiegelbilder und Spurensuche" von Dr. Böswald

* aus dem Band 2 der Donauwörther Stadtgeschichte.

Mein Vortrag dauert etwa 15 Minuten. Er soll zum Verstehen der ersten Siedler beitragen, nicht das damalige Regime verherrlichen.

1.  Vorgeschichte   -   Allgemeine Lage in Deutschland

Nach der Inflation und Währungsumstellung 1923, der Weltwirtschaftskrise 1928 und den Belastungen der Kriegsfolgen von 1918 herrschte große Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot. Die öffentlichen Kassen waren leer. Unter diesen Vorzeichen hatten die Nationalsozialisten 1933 die Wahlen gewonnen. Sie versprachen Verbesserungen auf allen Gebieten. Die Deutschen und zum Teil auch das Ausland ließen sich blenden und waren begeistert von den neuen Herren. So auch in Donauwörth.

2.  Situation in Donauwörth

Regiert wurde nach dem Prinzip: "Die Partei ist der Staat" und nach dem Führungsprinzip. Nach der neuen Gemeindeordnung vom 1. April 1935 wurden auch in Donauwörth die Strukturen geändert. Räte wurden nicht mehr gewählt sondern bestimmt und hatten nur noch beratende Funktion. Bürgermeister Dr. Dessauer warf das Handtuch. Parteigenosse Wilhelm Schöner war zunächst 2. - später 1. Bürgermeister. Andreas Mayr wurde 2. Bürgermeister. Er war schon vorher als Stadtrat mit dem Wohnungswesen beauftragt.

Bei knapp 5.000 Einwohner in Donauwörth gab es ca. 500 Wohnungssuchende und die Stadt hatte kein Geld. Trotzdem sollte der Wohnungsbau forciert werden.

3.  Eine neue Siedlung für Donauwörth

Über das "Siebert-Programm" (Ministerpräsident) gab es Gelder. Problem aber war im beengten Donauwörth der Baugrund. Gelände bei Berg sowie bei Nordheim erwiesen sich als untauglich. Es wurde mit Baron von Gaisberg verhandelt. Erste Pläne entstanden. Andreas Mayr lud die Interessenten zur 1. Siedlerversammlung am 15. Juli 1935 ein. Er konnte die Planung und Finanzierung erläutern. Staatsdarlehen von 135.000 Reichsmark, 75.000 Reichsmark von der Stadt und 46.000 Reichsmark Eigenkapital der Siedler waren nötig. Doch die Verhandlungen mit Gut Neudeck scheiterten, zunächst.

Am 27.07.1935 war es aber doch soweit. Baron von Gaisberg gab mehr oder weniger freiwillig 15 Tagwerk in Neuried, bekam im Tausch mit der Spitalstiftung Grund und einen Finanzausgleich. Wert 27.000 Goldmark!

Die neue Siedlung konnte gebaut werden. Und das ging rasant! Schon Anfang September war Baubeginn und bereits vier Wochen später konnte bei 16 Häusern Hebauf gefeiert werden. Das war der 28. September 1935.

4.  Hebauffeier nach altem Brauch

2. Bürgermeister Schöner hatte dazu eingeladen und die Handwerksmeister gebeten am Samstag Nachmittag den Arbeitern und Lehrlingen dazu frei zu geben!

Gefeiert wurde nach altem Brauch nämlich einem Zwiegespräch von Maurer und Zimmermann vom Dachstuhl aus, verfasst von Benno Benedicter. Es fand am Haus Roger Max (heute Faul/Kundinger) Nordstrasse 2 statt und mit dem Pomp der damaligen Zeit: Aufmarsch auf dem Baugelände, Fahnen wehten, die NS-Standartenkapelle spielte, ein Siedlerkind trug einen Prolog vor, über den unbefriedigenden Zustand bisher und die neuen Hoffnungen jetzt. Überall kam Freude und Begeisterung über die neue Zeit zum Ausdruck.

Kaum Einer wird geahnt haben, wie es 10 Jahre später aussehen sollte. Der Reichssender München hatte einen Übertragungswagen geschickt, lobte die neue Mustersiedlung, die Stadtführung und besonders Andreas Mayr als Vater des Gedankens.

Es folgte der Marsch in die Stadt, angeführt von HJ und BDM, Standartenkappelle, Unternehmer und Arbeiter, Vertreter von Partei und Behörden sowie dem ganzen Stadtrat.

Im 2. Teil im Hotel Krone wurden offizielle Ansprachen gehalten. Die Arbeiter und Handwerker wurden - wie es heißt - mit einer "famosen Schlachtschüssel und einer schäumenden Maß großzügig bewirtet". Auch für die Siedler war ein Tisch reserviert.

Diesen waren ihre Heimstätten durch Losentscheid zugewiesen worden. Die Donauwörther Nationalzeitung berichtete am Montag, den 30. September auf 2 ganzen Seiten ausführlich davon. Sie brachte einen Lageplan und die Name der 38 Siedler.

Bereits am Sonntag, den 29. September berichtete der deutschlandweit erscheinende "Völkische Beobachter" von dieser 1. Siedlung, die nach dem Heimstättengesetz gebaut wurde.

5.  Die Siedlung von damals

Von 59 geplanten Siedlerstellen wurden 38 gebaut, und zwar in der heutigen Nordstrasse von Böllmann bis Bertenbreiter und auf der anderen Seite von hinten bei Graßl (Bußer) und um den Spielplatz herum bis vor zu Roger Max (Faul/Kundinger), sowie in der heutigen Südstrasse von Wagner (Dietrich) bis Riedelsheimer.

(Nordstr. 1 - 29 und 2 - 20, Südstrasse 2 - 22 und 1 - 3; damals Karl-Wahl-Strasse 1 bis 40 nach dem NS-Gauleiter benannt. Beim Bau kamen nur Donauwörther Firmen zum Zuge. Es waren zeitweise bis zu 140 "Volksgenossen" eingesetzt.

Die Siedlung sollte bis 1. Juni 1936 bezugsfertig sein, was auch gelang. Einige kamen etwas früher. So wurde bereits am 7. Februar 1936 das 1. Kind geboren:   Franz Motzer.

Die Siedler erhielten die Heimstätten zur Miete und mussten sich 3 Jahre lang zur Probe als "gute Volksgenossen" bewähren, ansonsten die Häuser wieder verlassen.

6.   Wie sahen die Häuser aus?

Sie wurden alle nach einheitlichen Plänen im Maß von 7,50 Meter Breite und 8,40 Meter Länge gebaut und waren mit Strom, Wasser und Gas ausgestattet. Das Haus hatte eine Wohnküche mit 15 qm, ein Schlafzimmer mit 12 qm und ein Kinderzimmer mit 7 qm. Dazu kamen Abort, Waschküche und Kleintierstall im Haus integriert. Später war dafür ein Anbau vorgesehen. Ein Raum war unterkellert, oben bestand Ausbaumöglichkeit für ein Zimmer mit schrägen Wänden.

Die Kleintierhaltung war vorgeschrieben (es gab Schweine, Ziegen, Hühner und Gänse). Damit galten die Siedler später als "Teilselbstversorger" für Lebensmittelkarten. Dazu dienten in der Folgezeit auch die Gärten mit Kartoffel-, Gemüse- und Obstanbau.

7.  Finanzierung

Der Stadtrat beschließt am 14.11.1935 einen Nachtragshaushalt. Die Kosten von 255.000 Reichsmark entsprachen der Planung. Um ihren Eigenanteil von 75.000 Reichsmark zu erbringen verkaufte die Stadt das Stadtzollgebäude (heute Ludl, Reichsstrasse 2) an die Sparkassen und weitere Grundstücke.

Die Miete für die Siedler betrug 25,-- Reichsmark / Monat. Das war in etwa der ganze Verdienst eines Facharbeiters in der Woche. Für Manche war es schwierig diesen Betrag aufzubringen.

8.  Wie ging es weiter?        Zeitungsnotizen und Ratsprotokolle in Kurzform

21. August 1936     -     Neue Zeitung Augsburg

Die "Adolf-Hitler-Siedlung" in Donauwörth mit 40 Häusern ist fertig, die meist kinderreichen Familien sind eingezogen. Sie wird als Mustersiedlung in Bayern vorgestellt. (Angaben über Größe und Grundstück).

31. März 1937     -     Ratsprotokoll

Rege Bautätigkeit in der Adolf-Hitler-Siedlung. Dadurch wird Verlängerung der Kanalisation nötig. (Es gab einen neuen Plan).

29. September 1939    

Das bischöfliche Ordinariat verfügt die Umpfarrung von Wörnitzstein in die Stadtpfarrkirche - Riedlingen gehörte zu Wörnitzstein!

22. März 1939     -     Ratsprotokoll zur Bauplatzabgabe

Die Stadt regelt die Bedingungen und den Kaufpreis: 25 Reichsmark / Dezimal (33 qm) Erschließungskosten, Verzinsung, Vorkaufsrecht der Stadt.

Nach 1936 wurden die Häuser nicht mehr durch die Stadt erreichtet sondern waren von Anfang an Eigentum der Bauherrn.

24. Mai und 16. September 1943     -     Ratsprotokolle

Die 1935 von der Stadt gebauten 38 Häuser sollen in das Eigentum der Siedler übergehen. Kaufpreis und Darlehensbedingungen werden festgelegt.

26. November 1943     -     Urkunde Notar Schott

Kaufvertrag mit Auflassung zwischen Bürgermeister Schöner und Siedlern. Der Kaufpreis betrug z.B. bei Familie Wagner 7.068,36 RM, Bezahlung bestätigt. Vorkaufsrecht der Stadt wurde eingetragen. Übergang zum 1.10.1943. Der Landrat hatte am 1. Oktober zugestimmt.

21. Dezember 1943     -     Urkunde Notar Schott

Hypothek von 3.300 RM für die Vereinigten Sparkassen des Landkreises Donauwörth ins Grundbuch eingetragen. Bezeichnet werden die Grundstücke als "gelegen in der Neuen Siedlung".

Danach:

Unter schwierigen Bedingungen wurde in den letzten Kriegsjahren weitergebaut. Alles war rationiert. Für jeden Sack Zement z.B. waren Bezugsscheine nötig.

1944/45

Auch in der Siedlung wurden zwangsweise Evakuierte (Ausgebombte aus Großstädten) eingewiesen.

11. und 19. April 1945

Bombenangriffe auf Donauwörth. Tote und schwere Schäden auch in der Siedlung. Die Bahngleise standen wie ein Zaun hinter den Gärten der Siedlung.

8. Mai 1945   Kriegsende

Das 1000 jährige Reich gab´s nicht mehr.

15. Juni 1945     -     Ratsprotokoll

Umbenennung von Adolf-Hitler-Siedlung in Neudegger Siedlung.

Hinweis: In amtlichen Urkunden (Notar Schott / Amtsgericht v. 26.11.1943 und 17.1.1944) wird dort der Name "Neue Siedlung Donauwörth" verwendet.

War der Führername wohl nur umgangssprachlich?

Die ersten Nachkriegsjahre:

Durch die Zuweisung vieler Flüchtlinge und Heimatvertriebener wurde der Wohnraum überall sehr knapp. Er wurde zwangsbewirtschaftet. Auch in der Siedlung waren in jedem Haus bis zu 10 Personen untergebracht. Eine wesentliche Besserung gab´s erst nach der Währungsreform im Juni 1948.

Und später:

Es wurde weitergebaut. Neue Siedlungsteile (Sandacker, hintere Siedlung) kamen dazu.

Schulen, Sportanlagen, Einkaufszentrum und Krankenhaus wurden angesiedelt, bis heute wohl die Grenzen erreicht sind.

Soweit mein Vortrag über den Beginn der Siedlung.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Nach oben